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Der Unterschied zwischen Grundübungen und Isolationsübungen

Muskelaufbau ist sicherlich der häufigste Grund, wegen dem Kraftsport betrieben wird – ob aus gesundheitlichen oder ästhetischen Gründen spielt dabei keine Rolle. Wenn ihr gerade anfangt euch mit dem Thema zu beschäftigen, empfehle ich diesen Beitrag über die Grundlagen für effektives Krafttraining zuerst zu lesen 🙂

In der Sportforschung wird häufig von „Widerstandstraining“ gesprochen, in diesem Beitrag soll aber der für die meisten geläufigere Begriff des Krafttrainings als Synonym genutzt werden. Die Steigerung oder Erhaltung von Muskelmasse ist ein wichtiges Ziel für Gesundheit, Fitness und die generelle Leistungsfähigkeit.

Weil Krafttraining die Zunahme der Muskelgröße und -stärke fördern kann, wird es von vielen Sportwissenschaftlern als grundlegenden Bestandteil jeglicher Bewegungsprogramme empfohlen (z.B. Kraemer et al., 2002). Es wurde gezeigt, dass Muskelhypertrophie (also das Wachstum) von der mechanischen Spannung, der Muskelschädigung und dem metabolischen Stress abhängig ist, der durch das Krafttraining verursacht wird (Schoenfeld, 2010).

Im Allgemeinen ist es üblich, Kraftübungen in „multi-joint“ (MJ) oder „single-joint“ (SJ) zu klassifizieren (joint=Gelenk). Wie der Name schon vermuten lässt, sind an MJ-Übungen mehrere Gelenke beteiligt. Ein Beispiel für solche Verbundübungen sind Kreuzheben, an denen unter anderem die Beinmuskulatur, der Rückenstrecker, Latissimus oder auch der Bizeps beteiligt sind.

Die SJ-Übungen können einfach als Isolationsübungen bezeichnet werden, z.B. Bizepscurls. Einige Autoren sind der Meinung, dass SJ-Übungen größere Muskelhypertrophie fördern, weil sie einfacher zu erlernen sind und daher weniger auf neurale Faktoren angewiesen sind als MJ-Übungen (Rutherford & Jones, 1986). Andererseits empfehlen beispielsweise Kraemer et al., (2002), dass MJ-Übungen aufgrund des höheren bewegten Gewichts effektiver den Muskelaufbau fördern.


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Isolationsübungen wie Kurzhantel-Curls scheinen genauso effektiv Muskeln aufzubauen, beispielsweise Lat-Pulldowns als Grundübung.

Der Bizeps wächst – von Grundübungen und Isolationsübungen

Giannakopoulos et al. (2004) verglichen die Auswirkungen von SJ- und MJ-Übungen auf die Leistung der Schulterrotatoren. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe die MJ-Übungen ausführte, ihre muskuläre Leistung signifikant verbesserte – im Gegensatz zur SJ-Gruppe. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein Kräftigungsprogramm mit isolierten Bewegungen beginnen sollte, um die schwächeren Muskeln besser zu stimulieren, um dann möglichst schnell mit komplexen Übungen eine nachhaltige Kräftigung herbei zu führen (Giannakopoulos et al., 2004). Die SJ-Gruppe führte jedoch weniger Sätze aus und trainierte mit einer geringeren Intensität, wodurch die Ergebnisse verfälscht wurden sein können.

Gentil et al. (2013) untersuchten die Auswirkungen auf die Größe und -stärke des Bizepses bei untrainierten jungen Männern, wenn zu einem MJ-Trainingsplan (z. B. mit Klimmzügen), SJ-Übungen, wie Bizeps-Curls, hinzugefügt werden. Die Autoren stellten für Muskelstärke und -größe keinen Unterschied fest, zwischen der Gruppe die nur MJ-Übungen durchführte, und der Gruppe, die MJ + SJ durchführte. Leider gab es keine Kontrollgruppe, die nur SJ-Übungen durchführte. Die Studie von Gentil et al. (2013) lies also die Frage offen, ob Krafttraining, ausschließlich mit SJ-Übungen genauso effizient wäre, wie ein Programm, bei dem nur MJ-Übungen ausgeführt werden. Übrigens, de Franca et al., (2015) kamen für trainierte Probanden zu einem ähnlichen Ergebnis.

Um die Lücke zu schließen, untersuchten Gentil et al. (2015), ob das Training ausschließlich mit MJ-Übungen (in dem Fall Lat-Pulldown) genauso effektiv für das Bizepswachstum ist, wie die alleinige Ausführung von von Bizepscurls. In beiden Gruppen (nur MJ-Übungen mit Lat-Pulldown vs. nur SJ-Übungen mit Bizeps-Curls) waren die Kraft- und Größenzuwächse gleich (Gentil et al., 2015). Auf Grundlage der Ergebnisse kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die Auswahl zwischen SJ- und MJ-Übungen auf individuellen und praktischen Aspekten, wie die verfügbare Ausrüstung, den individuellen Präferenzen, der Bewegungsspezifität, und dem Zeitaufwand, basieren sollte.


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Kniebeugen und andere Grundübungen haben Vorteile gegenüber den Split-Trainingsplänen.

Grundübungen machen dich schneller stärker!

Obwohl die Ergebnisse von Gentil et al. (2015) zunächst interessant klingen, wurde in der Studie das Trainingsvolumen zwischen den Gruppen nicht gleichgesetzt. Da MJ-Übungen, im Vergleich zu SJ-Übungen, aufgrund des höheren Volumens stärkere hormonelle und metabolische Reaktionen auslösen, könnte dies ein wichtiger, vorteilhafter Faktor gewesen sein (ACSM, 2009).

Paoli et al. (2017) schlossen genau diese Lücke und ließen wieder zwei Gruppen trainieren. Eine Gruppe führt nur MJ-Übungen in Form von Bankdrücken und Kniebeugen aus, während die andere Gruppe nur mit SJ-Übungen wie Kurzhantel-Flys und Leg-Extensions trainierte. Um das Volumen auszugleichen, trainierte die SJ-Gruppe mit einer höheren Wiederholungsanzahl. Neben dem reinen Kraftzuwachs wurden auch die Änderungen des VO2max und des Verhältnis Muskelmasse-Fett (mittels DEXA-Scan) als allgemeine Indikatoren für die körperliche Fitness herangezogen.

Die Ergebnisse widersprechen denen von Gentil et al. (2015) und die Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass ein Krafttrainingsprogramm, welches aus MJ-Übungen besteht, bessere für die Steigerung der allgemeinen Fitness ist, als SJ-Übungen allein. Für die alleinige Änderung der Körperzusammensetzung sind SJ- und MJ-Übungen von ähnlichem Nutzen. Bei allen untersuchten Übungen resultierten MJ-Übungen in einer größeren Kraftsteigerung.

Eine Einschränkung der Studie von Paoli et al. (2017) ist die Tatsache, dass für die Anpassung des Trainingsvolumens in unterschiedlichen Widerholungsbereichen trainiert wurde. Unter anderem Buckner et al. (2017) fanden, dass Training im Bereich des 1RM zu höheren Kraftzuwächsen führen kann. Die aktuelle Studienlage ist also nicht ganz eindeutig aber tendiert in die Richtung, dass Grundübungen (MJ-Übungen) einige Vorteile gegenüber Isolationsübungen haben. Für den Hobbysportler ist es wohl vor allem der Zeitfaktor!

Wenn Grundübungen und Isolationsübungen zu gleichen Muskelzuwächsen führen, welchen Sinn macht es dann Muskelgruppen isoliert zu trainieren?! Nehmen wir die Beine: mit ein paar Sätzen Kniebeugen und möglicherweise noch ein paar Kreuzheben habt ihr vermutlich mit weniger als 10 Sätzen eure Beinmuskulatur maximal trainiert. Um den Quadrizeps, den Beinbeugen, Waden etc. isoliert zu trainieren sind von vorn herein mehr Übungen und wahrscheinlich auch mehr Sätze notwendig.

Schon allein aus diesem Grund sind Grundübungen für mich immer die bessere Wahl! Natürlich, da wir über unsere Freizeit sprechen – wenn Isolationsübungen dem ein oder anderen einfach mehr Spaß machen oder ihr denkt dadurch härter trainieren zu können, kann der psychologische Effekt in diesem Fall auch vorteilhaft sein.

Eine der wichtigsten Grundübungen sind Kreuzheben. Wenn du dich noch nicht so richtig an Kreuzheben herantraust, kein Problem: hier erkläre ich die richtige Ausführung von Kreuzheben.

Wie seht ihr das? Bevorzugt ihr Grundübungen oder Isolationsübungen? Und warum? Lasst es mich gern in den Kommentaren wissen.

Literatur


Giannakopoulos, K., Beneka, A., Malliou, P., Godolias, G. (2004) Isolated vs. complex exercise in strengthening the rotator cuff muscle group. J. Strength Cond. Res. 18 (1),144–148.

Buckner, S.L., Jessee, M.B., Mattocks, K.T., Mouser, J.G., Counts, B.R., Dankel, S.J. (2017) Determining strength: a case for multiple methods of measurement. Sport. Med. 47, 193-195. doi: 10.1007/s40279-016-0580-3.

Gentil, P., Soares, S.R., Pereira, M.C., Cunha, R.R., Martorelli, S.S., Martorelli, A.S. (2013) Effect of adding single-joint exercises to a multi-joint exercise resistance-training program on strength and hypertrophy in untrained subjects. Appl. Physiol. Nutr. Metab. 38 (3):341-344.

ACSM (2009). American college of sports medicine position stand. progression models in resistance training for healthy adults. Med. Sci. Sport Exerc. 41, 687–708. doi: 10.1249/MSS.0b013e3181915670.

de Franca, H.S., Branco, P.A., Guedes Junior, D.P., Gentil, P., Steele, J., and Teixeira, C.V. (2015) The effects of adding single-joint exercises to a multi-joint exercise resistance training program on upper body muscle strength and size in trained men. Appl. Physiol. Nutr. Metab. 40, 822–826. doi: 10.1139/apnm-2015-0109.

Gentil, P., Soares, S., Bottaro, M. (2015) Single vs. Multi-Joint Resistance Exercises: Effects on Muscle Strength and Hypertrophy. Asian J. Sports Med. 6 (2), e24057. doi: 10.5812/asjsm.24057.

Kraemer, W.J., Adams, K., Cafarelli, E., Dudley, G.A., Dooly, C., Feigenbaum, M.S. (2002) American College of Sports Medicine position stand. Progression models in resistance training for healthy adults. Med. Sci. Sports Exerc. 34 (2), 364-380.

Paoli, A., Gentil, P., Moro, T., Marcolin, G., Bianco, A. (2017) Resistance Training with Single vs. Multi-joint Exercises at Equal Total Load Volume: Effects on Body Composition, Cardiorespiratory Fitness, and Muscle Strength. Front. Physiol. 8, 1105. doi: 10.3389/fphys.2017.01105.

Rutherford, O.M., Jones, D.A. (1986) The role of learning and coordination in strength training. Eur. J. Appl. Physiol. Occup. Physiol. 55 (1), 100-105.

Schoenfeld, B.J. (2010) The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. J Strength Cond. Res. 24 (10), 2857-2872.

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