prinzip-general-adaption-syndrome-muskelaufbau

Grundlagen des effektiven Krafttrainings

Herzlichen Willkommen auf meinem Blog. Dies ist der erste Beitrag aus einer Reihe zum Thema Krafttraining. In der Reihe werden wir über allgemeine Grundlagen des Kraftsports sprechen und wir sehen und die gängigsten Trainingssysteme im Detail an. Auf Grundlage von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen werden wir uns in separaten Beiträgen auch tiefgreifender mit Vor- und Nachteilen einzelner Pläne befassen. Wir beginnen die Serie mit einem ersten Grundlagenartikel.

Keines der Programme, über die wir in der Serie reden, kann als „gut“ oder „schlecht“ bezeichnet werden – alle haben Vorteile und Nachteile. Und ein Programm mag vielleicht für Person A funktionieren, für Person B aber überhaupt nicht. Es gibt kein Programm, was für alle Trainierenden geeignet ist, sondern nur Programme, welche für uns als Einzelperson gut funktionieren kann.

Ob ein Programm bei uns Wirkung zeigt, d.h. ob wir mit dem Programm Fortschritte machen, hängt vor allem von zwei Faktoren ab:

  1. Wie lange wir schon trainieren, und
  2. Unserer derzeitigen Lebenssituation.

Oft wird auch die Veranlagung als wichtiger Faktor genannt – leider zu oft als Entschuldigung. Klar, unsere Gene bestimmen beispielsweise an welchen Stellen wir möglicherweise Fett einlagern oder die Verteilung unserer Muskelfasern („slow twitch“, „fast twitch“). Da diese Faktoren meiner Meinung nach aber nur das „Feintuning“ an unserem Aussehen und unserer Leistung ausmachen und vermutlich der Großteil von uns nie eine professionelle Bodybuilding- oder Sportkarriere hinlegt, sind wohl die zwei genannten Faktoren wesentlicher wichtiger für uns. Auf die zwei Punkte werde ich gleich noch genauer eingehen.

Nun also ran an den Speck – habt ihr euch schon mal gefragt, warum unsere Muskeln durch Kraftsport oder allgemein Training wachsen? Die gängigste Theorie dazu ist die des General Adaption Syndrome (GAS). Demnach funktioniert Training durch eine Abfolge von Stress (dem Trainingsreiz) – Erholung – Anpassung (Adaption) der Muskelfasern.


prinzip-general-adaption-syndrome-muskelaufbau
Das Prinzip des General Adaption Syndrome stellt die Grundlage für eine effektive und nachhaltige Trainingsplanung für jeden Kraftsportler dar. Die anfänglich hohe Fähigkeit zur Anpassung an den Trainingsreiz (Adaption) wird mit wachsender Kraft geringer (höheres Trainingsgewicht). Um Plateaus zu verhindern ist eine Anpassung des Trainings, z.B. über das Volumen, notwendig (höhere Komplexität, geändert nach Rippetoe, 2011)

Laut der Theorie des GAS verursacht das Heben schwerer Gewichte (Training) sogenannte Mikrorisse in den Muskelfasern. In Kombination mit kurzfristigen hormonellen Änderungen und einem dadurch angepassten Stoffwechsel erfasst der Körper das Training als „Stress“ und versucht, den entstandenen Schaden (Mikrorisse) zu beheben.

Bei einer ausreichenden Kalorienzufuhr, ausreichend Schlaf und wenn es über einen bestimmten Zeitraum nicht erneut zu Mikrorissen kommt, kann sich der Körper von dem Stress erholen. Um auf eine erneute Einwirkung eines solchen Stresses vorbereitet zu sein, passt sich der Körper an, indem er die „beschädigten“ Muskelfasern stärker wiederherstellt, als sie davor waren. Die ganze Theorie wird immer mal wieder in Frage gestellt (kleiner Vorgriff – darauf gehen wir auch noch ein), eine plausiblere Hypothese hat sich meines Wissens nach aber noch nicht etabliert.

Kommen wir nun also zu den 4 wichtigsten Prinzipien des Kraftsports.

Kontinuierliche Überladung

Was zunächst etwas seltsam klingt, ist wahrscheinlich der zugleich der wichtigste Faktor. Wir können das GAS nur für uns arbeiten lassen, wenn wir unseren Körper und unsere Muskeln kontinuierlich einer ausreichend hohen, aber nicht zu großen Dosis an Stress aussetzen. Bis zur vollständigen Anpassung an den Stress, dauert es eine Weile und verläuft in immer kleiner werdenden Schritten.

Wir müssen unseren Körper also sukzessiv und in kleinen Schritten „überladen“, um immer die Adaption nach der Einwirkung des Stresses immer wieder ausnutzen zu können. Die meisten von uns haben doch den Kumpel, der seit Jahren immer das gleiche Gewicht, mit der gleichen Wiederholungszahl drückt und auch seit Jahren gleich aussieht – obwohl er dreimal pro Woche trainiert. Bei diesem Kumpel ist der Stress nach dem Training immer konstant und der Körper hat sich längst auf das Training eingestellt.

Das heißt also für unser Training, wenn wir uns kontinuierlich verbessern wollen, unsere Muskeln dazu anregen wollen stärker und größer zu werden, müssen wir den Stress in unserer Trainingslaufbahn immer weiter anheben – genauer gesagt wir müssen das Gewicht und/oder die Wiederholungszahl steigern. Allerdings muss der Stress auch immer größer werden, umso stärker wir werden. In dem Zusammenhang kommen wir zum zweiten Prinzip/Faktor, dem Ermüdungs- oder Stress-Management (engl. Fatigue-Management)

Ermüdungs-Management

Insbesondere bei diesem Thema kommt unsere Lebenssituation ins Spiel. Jeder Mensch hat nur eine bestimmte Kapazität, zu der er Stress verträgt – wie eine Batterie. Das heißt, je nachdem wie unser Alltag aussieht, welchem geistigen und körperlichen Stress wir dort ausgesetzt sind, verträgt jeder Körper den zusätzlichen Stress durch ein Training anders. Nehmen wir zum Beispiel Dieter und Klaus.

Dieter ist Student, geht of erst zur zweiten Vorlesung am Tag, wird in der Mensa gut versorgt und geht auch oft zeitig ins Bett. Klaus arbeitet dagegen in drei Schichten im Krankenhaus, kommt zwischendrin kaum zum Essen aber geht trotzdem auch nach dem Frühdienst nach zum Sport. Durch die viel höhere körperliche Belastung im Krankenhaus, das ungünstige Essverhalten und die hohe Belastung der Schichtwechsel wird die „Erholungsbatterie“ von Klaus natürlich viel früher leer sein und Dieter kann wahrscheinlich viel härter und wahrscheinlicher häufiger trainieren, um die gleiche Ermüdung zu erfahren.

Zusätzlich kommt hier aber auch unsere Erfahrung ins Spiel, das heißt wie lange wir schon trainieren. Wie schon geschildert müssen wir unserem Körper einem wachsenden Stresslevel aussetzen. Da sich unsere „Erholungsbatterie“ leider nur deutlich geringer (wenn überhaupt) anpasst, heißt dies auch, dass die Batterie mit steigender Trainingserfahrung schneller leer wird. Dies führt wiederum dazu, dass wir beginnen müssen, unsere Trainingseinheiten besser zu planen, um eine Überlastung zu verhindern.


erhohlung-training-muskelaufbau
Die angemessene Erholung von einem im Training gesetzten Reiz ist die Grundlage für Muskelaufbau und Kraftzuwachs. Eine zu lange Erholungsphase kann zu Plateaus im Training führen, bei einer zu kurzen Regenerationszeit kann es zu einer Überlastung der Muskeln kommen

Spezifität

Dieses Prinzip sagt, dass wir entsprechend unseren Zielen trainieren müssen. Klingt eigentlich logisch aber es lohnt sich trotzdem einen Moment darüber nachzudenken. Dieses Prinzip ist so wichtig, da es bei korrekter Anwendung dazu führt, dass wir wirklich die Fortschritte machen, die wir wollen.

Für den Entwurf eines Trainingsprogramms sind nach Cissik (2002) folgende 4 Faktoren von entscheidender Bedeutung:

  1. Die Bewegungen, die trainiert werden sollen,
  2. Die an der Bewegung beteiligten Muskeln und Gelenke,
  3. Der Energiespeicher, den unsere Muskeln nutzen,
  4. Die Geschwindigkeit der Übungsausführung.

Der erste Punkt ist schnell erklärt. Wollen wir beispielsweise schneller Rennen oder höher Springen, brauchen wir stärkere Beine. Dafür eignen sich z. B. die Kniebeuge, der Power-Snatch oder der Jerk. Punkt 1. und 2. hängen unmittelbar zusammen. Für das Beispiel der Sprungkraft müssen wir unter anderem den Quadrizeps trainieren.

Auch Maschinenübungen wie Beinstrecker stärken den Quadrizeps, allerdings werden dadurch wichtige Bewegungsmuster (z. B. Kontrolle bei der Auf- und Abbewegung) und das Zusammenspiel der Muskeln beim Beschleunigen vom Boden nicht trainiert. Trotzdem gibt es natürlich Fälle, in denen wir spezielle Muskeln und Gelenke isoliert trainieren und Andere entlasten wollen – denken wir an die Rehabilitation nach Sportunfällen.

Der dritte Punkt sagt, dass wir so trainieren sollten, dass unsere Muskeln auch den für uns richtigen Energiespeicher (primär) nutzen. Hier sollten wir vor allem zwischen der Bereitstellung von Energie aus Glukose (Kohlenhydraten) für anhaltende Belastungen von einigen Minuten und der kurzfristigen Bereitstellung aus den Adenosin-Tri-Phosphat-Speichern (ATP) unterscheiden.

Erstes werden vor allem durch die entstehenden Stoffwechselprodukte gehemmt, während letzteres durch das reine Vorhandensein des ATP begrenzt wird (Cissik, 2002). Das Training des Energiespeichers ist bei Kraftsportlern vor allem für die Auswahl des Gewichts, der Wiederholungszahl und der Pausenzeit zwischen den Sätzen interessant.

Möchten wir beispielsweise unsere ATP-Speicher vergrößern, sollten wir kurze intensive Wiederholung mit viel Gewicht Wiederholungen und längeren Satzpausen ausführen. Der vierte Punkt richtet sich auf die Geschwindigkeit, in der eine Übung ausgeführt wird. Auch hier sollten wir schnelle Bewegungen trainieren, wenn wir bei schnellen Bewegungen besser werden wollen – und umgekehrt. Im Kraftsport liegt der Fokus wahrscheinlich oft auf der Ausführung von schnellen Bewegungen. Über Intensitätstechniken o. ä. können wir uns später noch unterhalten.

Individuelle Unterschiede

Diesen Punkt sollten wir besonders im Hinterkopf behalten. Individuelle Unterschiede führen nicht nur dazu, dass wir uns möglicherweise unterschiedlich gut erholen, sondern steuern auch, wie wir auf einen bestimmten Trainingsreiz ansprechen. Hier können wir wieder ein einfaches Beispiel mit zwei etwas überspitz dargestellten, fiktiven Personen nehmen.

Alfred hat einen vergleichsweise kurzen Unterkörper aber lange Arme, und Bert ist längenmäßig das Gegenteil. Beide wiegen gleich viel uns fangen gleichzeitig an, mit dem gleichen Gewicht auf der Stange zu trainieren. Aufgrund der besseren mechanischen Übertragung seine Kraft (günstigere Hebel) wird Alfred wahrscheinlich schnellere Fortschritte beim Kreuzheben machen und Bert besser beim Bankdrücken sein.

Hier möchte ich auch nochmals besonders auf die Wichtigkeit unserer Lebenssituation hinweisen. Auch diese führt natürlich zu individuellen Unterschieden, die mehr oder weniger temporär sind.

Zusammenfassung

Krafttraining beruht auf dem Prinzip des General-Adaption-Syndrome (GAS). Dieses besagt, dass Muskeln wachsen, nachdem diese einem Reiz (Stress) ausgesetzt wurden, sich erholen und wir bei der nächsten Einheit stärker zurückkommen als bei der vergangenen Einheit.

Bei der Gestaltung unseres Trainingsplans sollten wir vier Faktoren im Hinterkopf behalten. Erstens, wir sollten darauf abzielen, unsere Muskeln kontinuierlich einem wachsenden Reiz auszusetzen („Überladung“). Zweitens, mit wachsenden Reiz wird die gezielte Planung von Satz oder Trainingspausen immer wichtiger. Wir sollten entsprechend unseren Zielen trainieren – wollen wir besser beim Bankdrücken werden, sollten wir auch Bankdrücken ausführen.

Den letzten Punkt möchte ich vielmehr als Apell nutzen: Wir sollten unser Ego an der Tür zum Fitnessstudio hängen lassen und uns nicht mit den anderen vergleichen. Alle befinden sich in unterschiedlichen Lebenslagen und andere sind vielleicht stärker oder sehen besser aus obwohl wir vermeintlich härter trainieren –  möglicherweise haben die anderen aber mehr Freizeit, ihr habt momentan viel auf Arbeit zu tun oder habt vor kurzem ein Kind bekommen. Jeder Mensch ist anders, kann anders trainieren, erholt sich anders und spricht anders auf bestimmte Reize an.

Damit sind wir am Ende des ersten Beitrages angekommen. Die weiteren Artikel dieser Serie werden deutlich kürzer. In den folgenden Beiträgen stellen wir uns die gängigsten Trainingspläne für Kraftsportler zusammen und sprechen teilweise in separaten Artikeln auch über die Vor- und Nachteile einzelner Systeme. Falls ihr diesbezüglich Fragen und Anregungen habt, lasst es mich in den Kommentaren oder per Email wissen.

Literatur


Cissik, J.M. (2002) Basic principles of strength training and conditioning. NSCA’s Performance Training Journal 1(4), 7-11.

Rippetoe, M. (2011) Starting Strength – Basic Barbell Training. 3. Ausgabe, The Aasgaard Company, Wichita Falls, Texas, USA, 392 S. ISBN 978-0-982-5227-3-8.A

Ähnliche Beiträge

9 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.